Scheitern

1

Zu viel.

Den Diskurs überfrachten, sich nicht entscheiden -
können, wollen, dürfen, müssen -

ich will, aber ich kann nicht
ich könnte, aber ich darf nicht,
ich will nicht, aber ich muss.

Zu wenig.

Ich habe keine Zeit.
Was sind schon 5 minuten, wenn es ums Scheitern geht,
wenn es ums Ganze geht, und es geht doch immer ums Ganze,
oder?

Zu wenig.

Ich habe keine Zeit.
Die Zeit, das was man gibt, obwohl man es nicht hat.

 

2

Anfangen.

Der Mensch ist ein Anfänger, schreibt Hannah Ahrend.
Er kann immer wieder anfangen, die Initiative ergreifen, Handeln.

Anfangen.

Immer das Schwerste und das Schönste.
Der Mensch ist von Geburt aus ein Anfänger – und kann es auch
immer wieder werden. Was für ein Genuss.

Anfangen.

Diesmal mit einer Frage aus einem Fragentausch:
“Wie würdest Du eine Sehnsuchtsfalle beschreibend darstellen?”
Und wie das Scheitern in Wort und Bild darstellen? Da ist das Scheitern ja vorprogrammiert, könnte man sagen – und es sich einfach machen -

aber es sich einfach machen wäre ja ein Erfolg, oder?

 

3

Entscheiden.

Aber wie anfangen? Woher kommt der Impuls und in welche Richtung geht er?
Eine erste Linie eine Markierung zeichnet das Blatt, markiert den Raum – Initium.
Jede Formgebung bedarf der Entscheidung – Linie oder Punkt, Kreis oder Quadrat, Bleistift oder Pinsel, aufstehen oder liegenbleiben -
und Entscheidungen sind letztlich in ihren Konsequenzen nicht zu überblicken. Die informierte Entscheidung treffen zu wollen, wäre von vornherein zum Scheitern verurteilt; die informierte Entscheidung treffen zu wollen, hiesse keine Entscheidung treffen zu können – die Gefahr, ein Detail übersehen zu haben, oder in seiner Dimension unterschätzt zu haben, wäre immer zu groß. – Und doch heisst keine Entscheidung zu treffen, auch eine Entscheidung zu treffen, denn die Entscheidung trifft ein, zu der Zeit in der sie reif ist, und das ist immer genau dann.
Also besser, die Entscheidung zu begrüssen, ihr mit offenen Armen zu begegnen, Zeit mit ihr zu verbringen.

 

4

Widerstand.

Nun geht es manchmal bergauf und die Kugel / der Stein will mit der Schwerkraft abwärts ins Tal.

Weitermachen.
Immer weiter.

 

5

Wiederholen.

Beim nächsten Mal
wird alles anders / hab ich draus gelernt / tut’s nicht mehr so weh / mach ich mir nicht mehr soviel Hoffnungen.

Wiederholen.

Beim nächsten Mal
bin ich klüger / geschickter / weiser / weiter / schöner / älter / beim nächsten Mal tut’s nicht mehr so weh / ich mach was draus / lern was draus / ein Perspektivwechsel / ein Rhythmus / welches nächste Mal?

Wiederholungszwang

Beim nächsten Mal
wird alles besser / tut’s nicht mehr so weh / bin ich drauf vorbereitet / lerne ich draus / machts sogar Spaß / stellt sich ein Rhythmus ein / welches nächste Mal?

 

6

Scheitern

Das Schiff zerschellt am Felsen, zerfällt in Scheite, es erreicht nicht die fernen Gefilde der Sehnsucht und auch nicht den heimatlichen Hafen – aus den Scheiten bauen die überlebenden ein Floß, Zweckentfremdung, weiter gehts.
Auch ein Scheiterhaufen könnte schön sein – er spendet Wärme und könnte in ein Freudenfeuer übergehen. Die Asche verweht in alle Himmelsrichtungen – totale Auflösung, Destrukturierung, Transformation.

Sehnsuchtsfalle?

 

7

Innen und Aussen

Scheitern ist auch der jeweils vergebliche Versuch, mit dem eigenen  Spiegelbild in Deckung zu kommen, das Außen in Übereinstimmung mit dem Innen zu bringen.
Und wie auch jemals mit dem Spiegelbild in Deckung kommen? Es ist doch seitenverkehrt und noch dazu in einem anderen Raum in einer anderen Dimension, nie kann es gelingen – zum Scheitern verurteilte Conditio Humana, denn hätte sich je ein Tier oder eine Pflanze oder ein Stein darüber Sorgen gemacht?
Eine Linie verbindet das Innen und das Außen, in einer Möbius Schleife durchqueren wir immer wieder die Distanz, die immer gleich bleibt, Abschreiten eines Möbiusbandes, manchmal ganz nah, aber auf der richtigen Seite, manchmal fern und richtig herum. Und doch ist es immer genau so – und hätte auch anders sein können.

Innen und Außen

Der Versuch, dem eigenen Anspruch zu genügen, das Vorhaben, die Konsequenzen des eigenen Tuns einzuschätzen und volle Verantwortung für das eigene Handeln zu übernehmen, erscheint von vornherein zum Scheitern verurteilt.
Nur ich selbst be- und verurteile mein Scheitern, die äußere Instanz, den äußeren Anspruch hat es veilleicht einmal gegeben, ist aber schon lange verinnerlicht – Selbstkontrolle ist die stärkste Form der Kontrolle und kontrolliert das vermeintliche Aussen gleich mit.

 

8

Gescheiterte Extistenz

Nie angefangen? Nie entscheiden? Nie Widerstand gespürt? Nie wiederholt?
Der Tod als das endgültige Scheitern?

Am Ende ist alles vorbei.
Aber die Fische haben gespielt und nicht gearbeitet.

 

Nachtrag: